Anhörung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz
Im Rahmen der Expertenanhörung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages am gestrigen Mittwoch, an der für die AWM die Steuerexperten Konrad Löcherbach und Willi Winter teilnahmen, wurden erneut die grundsätzlichen Bedenken der Wirtschaft gegen dieses Gesetz deutlich.
Bedeutung des Verlustabzugs
Für die Dienstleister kritisiert die AWM in ihrer Stellungnahme insbesondere die geplante Einschränkung der Verlustberücksichtigung. Vor allen Dingen verdeutlicht sie, daß es sich hierbei keinesfalls um eine ökonomisch, ökologisch oder unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten fragwürdige Steuervergünstigung handelt. Vielmehr ist der Verlustabzug ein notwendiger Bestandteil eines Steuersystems, das den Anspruch erhebt, der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit jedes einzelnen und damit dem Verfassungsprinzip einer gerechten Besteuerung Rechnung zu tragen. Die durch die geplante Einschränkung des Verlustvortrags geschaffene Mindestbesteuerung trifft bei ihrer Verwirklichung die wirtschaftlich schwächsten Unternehmen und kann deshalb mit dem o.g. Verfassungsprinzip nicht vereinbart werden.
Neben diesem verfassungsrechtlichen Aspekt ist praktisch ebenso schwerwiegend der betriebs- und letztlich volkswirtschaftliche Schaden der geplanten Regelung. Hierbei geht es vor allem um die zukünftige Ausstattung des Unternehmens mit Eigenkapital.
Investitionen belasten Liquidität
Unternehmensverluste, vielfach verursacht durch notwendige betriebliche Investitionen, führen zum Verbrauch von Eigenkapital und zum Einsatz von zinspflichtigem Fremdkapital, soweit hierfür die nötigen Sicherheiten geboten werden können. Die Verlustunternehmen stehen bei einer mehrjährigen Verlustperiode häufig am Rande der Insolvenz. Vor diesem Hintergrund bedeutet die Unterbrechung der Verlustperiode durch ein Gewinnjahr oder gar die Beendigung der Verlustperiode die Chance zur Minderung oder gar zur Beseitigung der Kapital- und Liquiditätsengpässe. Dies eröffnet wieder den Spielraum, notwendige Investitionen, die kontinuierlich zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens geboten sind, zu tätigen. Nur so besteht überhaupt Aussicht auf den Erhalt der unternehmerischen Existenz und der hiervon abhängigen Arbeitsplätze.
Scheingewinnbesteuerung
Die geplante Besteuerung der Hälfte eines während und nach der Verlustperiode anfallenden Gewinnes im Rahmen der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer beeinträchtigt oder vereitelt gar die Möglichkeiten zur finanziellen Konsolidierung des Unternehmens oder zur Tätigung notwendiger Investitionen. Aufgrund dieser „Scheingewinnbesteuerung“ würden zahlreiche von Verlusten betroffene Unternehmen demotiviert und zur Unternehmensaufgabe getrieben werden. Unternehmensneugründungen würden trotz der verschiedenen Fördermaßnahmen zum großen Teil uninteressant, vor allem, wenn mit mehrjährigen Anlaufverlusten zu rechnen ist.
Rückwirkung des Gesetzes
Darüber hinaus thematisierte die AWM in der Expertenanhörung die Absicht der Bundesregierung, etliche den Bürger und die Unternehmen belastende Bestimmungen rückwirkend in Kraft zu setzen. So ist beispielsweise für die Besteuerung der Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften als Stichtag der 20. November 2002, der Tag des Kabinettsbeschlusses, vorgesehen. Andere Regelungen sollen zum Ende des Jahres 2002 wirksam werden. Die AWM verwies darauf, daß ein solches rückwirkendes Vorhaben zu großer Rechtsunsicherheit führt und die Planungen der auf die Rechtslage vertrauenden Bürger und Unternehmen rückwirkend vom Gesetzgeber so zur Disposition gestellt werden. Daher appellierte Steuerexperte Winter eindringlich an die Regierungskoalition, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen.